Der Letzte seiner Art
Es war einmal ein kleiner Funke. Früher gehörte er zu einem großen Feuer, doch das war lange her, denn die offenen Feuer wurden, wie man sagte, zum Schutz der Menschen und anderen Lebewesen, gelöscht. Er war als Einziger von seinem Feuer entkommen und hatte sich in eine Höhle tief im Wald zurückgezogen. Dort saß er in der Ecke, traurig und allein, und dachte sich: 'Ach, eigentlich kann ich auch verlöschen, so macht das Leben keinen Sinn mehr.'
Eines Nachts aber hörte er eine leise Stimme fragen: "Warum bist du so traurig?" Er schaute auf und vor ihm saß ein Eichhörnchen, dass sich zum Schutz vor dem Unwetter in die Höhle geflüchtet hatte. So erzählte er dem Eichhörnchen seine Geschichte. Das Eichhörnchen sah ihn an und antwortete:" Ja, ich verstehe, dass Du traurig bist. Aber Du darfst dich nicht verstecken, nur weil an dem Ort wo du vorher warst, keiner Deiner Art mehr ist. Vielleicht gibt es ja doch noch mehr von Dir? Lass uns zusammen nachsehen."
Auf die Idee, dass es noch woanders welche hätte geben können, war er bisher nicht gekommen.
So zogen sie also gemeinsam durch die Welt und überall wo sie waren, sahen sie zwar andere Lichter, aber die waren alle entweder in Laternen eingesperrt oder hinter Fenstern, die geschlossen waren.
"Siehst Du?", sagte der Funke niedergeschlagen. "Ich hatte Recht. Und nun lass mich alleine. Ich will ausgehen." "Warte!", rief das Eichhörnchen, dass plötzlich eine Idee hatte. "Du darfst die Hoffnung nie aufgeben! Komm, ich weiß wo es ganz sicher noch einen Funken gibt." "Gut, eine letzte Chance geb' ich Dir noch." flüsterte der Funke.
Das Eichhörnchen sprang voraus und führte den kleinen Funken an einen See. "Schau hinein!" ermutigte es den Funken. Er schwebte zögerlich zum See, sah hinein und traute seinen Augen kaum. Was er sah, war ein anderer Funke, der ihn ebenso verblüfft ansah. Vor lauter Freude begann der kleine Funke immer heller zu strahlen und wurde größer. Auch der Funke im See wuchs mit ihm.
Doch plötzlich kam ein Fisch nach oben und zerstörte das Spiegelbild. "Oh!" rief der Funke enttäuscht aus. Das war ja nur ich!" und wollte wieder kleiner werden. Doch das Eichhörnchen sagte:"Ja. Doch hast Du nicht bemerkt? Auch wenn nur Du es warst, bist Du doch trotzdem größer und heller geworden vor Freude, als Du Dich gesehen hast und dachtest Du wärest nicht allein, oder?" Der Funke nickte. "Siehst Du? Und damit hast Du etwas Wichtiges gelernt. Wenn Du an Dich glaubst, wächst Du und Dein Licht wird heller, auch wenn Du Dich einsam fühlst. Denn Du bist niemals ganz alleine, wenn Du Dich hast."
Da begriff der Funke und ihm wurde ganz warm Innen und er wuchs und strahlte, so dass bald der ganze See erleuchtete. "Oh, sieh doch nur!" freute sich das Eichhörnchen und zeigte auf die andere Seite des Sees. Von dort schwebten mehrere kleine Funken auf sie zu. "Sie dachten wohl ebenfalls, dass sie alleine wären, doch dann haben sie Dein Licht gesehen. Und sind aus ihren Gefängnissen ausgebrochen. Das passiert nämlich auch, wenn man an sich glaubt. Andere warten oft nur darauf, dass Einer beginnt zu leuchten…"
©Nadine Baum